Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz
Über den Wandel einer Kulturtechnik
Autor*in: Rötzer, Florian
Reihe: Wie wir lesen - Zur Geschichte, Praxis und Zukunft einer Kulturtechnik
Jahr: 2023
Sprache: Deutsch
Umfang: 128 S.
Verfügbar
- Inhalt:
- 1. Warum ein Buch zu diesem Thema?Erstmals in der Geschichte der Menschheit sind mit den generativen KI-Sprachmodellen nicht-menschliche Leser und Autoren auf die Bühne der Kultur getreten. Die KI lernt das Lesen und Schreiben, indem sie mit Massen an Geschriebenem aus unterschiedlichsten Quellen gefüttert wird, aber weil sie daraus auch Unerwartetes bzw. Unerwünschtes schaffen kann, muss sie trainiert, kontrolliert bzw. zensiert, mithin erzogen werden. Seit dem Gang in die Öffentlichkeit von ChatGPT und Co. sind wir zunehmend mit der Frage konfrontiert, ob wir Texte von Menschen oder Maschinen lesen, ob und welche Unterschiede es geben könnte, wenn es um Journalismus, Theorien, Ideologien, Philosophie, Literatur etc. geht, und in welche Richtung uns die digitalen Lese- und Schreibköpfe drängen könnten, die zudem profitorientierte und undurchsichtige Produkte der Privatwirtschaft sind. Lesen von Texten hat sich grundsätzlich geändert, was zum erneuten Nachdenken darüber führen muss, was die dem Menschen bislang exklusive Kulturtechnik ist.2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?In meinem Buch erkunde ich essayistisch auch aus dem Rückblick auf die Geschichte des Lesens nicht nur Aspekte der kulturellen und philosophischen Konfrontation mit den digitalen, zumindest jetzt noch unverkörperten KI-Lesern, die uns als Subjekte erscheinen (sollen), sondern arbeite auch heraus, dass der lesende Mensch vor allem auch ein verkörperter Mensch ist. Die Kulturtechnik hat nachhaltig den menschlichen Körper und seine Umgebung mit vielfältigen individuellen und gesellschaftlichen Folgen geformt. Lesen, so die These, entsteht aus dem Projizieren des visuellen Denkens und führt zur Entwicklung einer leeren, aber materiellen Fläche, die sich zwischen den Leser und der Welt schiebt, was die Gedanken freisetzt, auch von der Wirklichkeit, in der sich der verkörperte Mensch befindet. Das geschieht nun auch mit den KI-Modellen. Lesen ist träumen und halluzinieren. Der lesende Austritt aus der Welt führt zum Wissen.3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?Die Menschen müssen mit den wahnsinnig schnellen nicht-menschlichen Lesern und Autoren mithalten, sie stehen in Konkurrenz und müssen sich optimieren oder andere Wege suchen. Vor allem wird KI die Sprache auf Durchschnittlichkeit der Gedanken, des Ausdrucks und der Form normen. Das eröffnet der Individualisierung neue Wege.4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?Natürlich mit Platon. Geht vielleicht auch als KI-Klon, aber dann leider ohne Symposium.5. Ihr Buch in einem Satz:Lesen ist imaginieren, also ein Überschreiten der Realität ins Leere hinein. Wir stehen vor einem kulturellen Umbruch der Kulturtechnik Lesen, die mit der Erfindung der Schrift begann und über den Buchdruck in die Digitalisierung mündete: Mit den »Sprachmodellen« der lernenden Künstlichen Intelligenz treten neben die Menschen plötzlich unmenschliche maschinelle Leser, die alle Texte rezipieren und zu neuen Texten verarbeiten können. Sie lesen Texte als binär codierte Informationsströme und verstehen das Geschriebene nicht, sondern lernen eine wahrscheinliche Wortkombinatorik - aus der trotzdem Unerwartetes geschehen kann. Florian Rötzer wagt eine Nachlese und beantwortet die Frage, ob KI die menschlichen Leser*innen verdrängt oder ob die Kulturtechnik des Lesens durch die neuen Einflüsse nur revolutioniert wird.
Florian Rötzer, geb. 1953, ist studierter Philosoph und beim Online-Magazin Overton tätig. Der freie Journalist arbeitete zuvor u.a. bei der taz, der Süddeutschen Zeitung und Frankfurter Rundschau sowie beim Bayerischen und Hessischen Rundfunk. Neben seiner publizistischen Tätigkeit mit den Schwerpunkten Medientheorie und -ästhetik, organisiert er zahlreiche internationale Symposien. 1996 hat er mit Telepolis eines der ersten deutschsprachigen Online-Magazine mitbegründet und war dort bis Ende 2020 Chefredakteur. Unter seiner Leitung erhielt Telepolis den Europäischen Preis für Online-Journalismus in der Kategorie Investigative Reportage (2000) sowie den Grimme Online Award in der Kategorie Medienjournalismus (2002) und den Lead Award für spezialisierte Onlinemagazine (2004).
Titelinformationen
Titel: Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz
Reihe: Wie wir lesen - Zur Geschichte, Praxis und Zukunft einer Kulturtechnik
Autor*in: Rötzer, Florian
Verlag: transcript Verlag
ISBN: 9783839469484
Kategorie: Sachmedien & Ratgeber, Sprachen, Literaturwissenschaften
Dateigröße: 981 KB
Format: PDF
Max. Ausleihdauer: 21 Tage